BASTARD
Einzelausstellung | 10.–11. November 2017
Die Bäckerei – Kulturbackstube Innsbruck
Im Rahmen des Galerienfestivals Premierentage
Kuratorin: Katrin Kuprian
Mit BASTARD präsentierte David Prieth erstmals eine Einzelausstellung, die einen dichten Querschnitt seiner interdisziplinären Praxis zwischen Text, Klanginstallation, Video, Performance und Medienkunst sichtbar machte. Die Ausstellung kreiste um Fragen nach (Selbst)Identität, sozialer Zugehörigkeit und der Materialisierbarkeit von biografischem Erleben im Raum.
Persönliche Narrative, soziale Zuschreibungen und körperlich erfahrbare Erinnerung wurden in eine installative Vielstimmigkeit überführt: Wörter wurden gesammelt, Wände beschriftet, Texte auf Speisen übertragen und auf Förderbänder geklebt. Eine zentrale Arbeit war eine performative Installation, in der eine Suppe aus Blut, Essig und Zwiebeln – als symbolische Selbstbegegnung – zubereitet und konsumiert wurde.
Weitere Elemente umfassten:
– eine mikrofonierte Kleinküche als klanglicher Resonanzkörper
– ein Video der Aktion „Toni geht wandern und trifft dabei Gerti und Baby Selina“
– Relikte der Aktion „hc-strache.at“, darunter kopftuchartige Textilien
– beschriftete Holzbretter und Objekte des Alltags, fragmentarisch belegt mit autobiografischem Material
Die Ausstellung fungierte als visuelles und akustisches Tagebuch: roh, direkt, widersprüchlich – ein bewusst unaufgelöster Bastard aus Sprache, Körper, Herkunft und Wut.
Ein besonderer Dank gilt der Kuratorin Katrin Kuprian, die mit einem einfühlsamen Begleittext zur Ausstellung beitrug und die künstlerische Arbeit langjährig begleitete.
Ebenso Dank an das Team der Premierentage, insbesondere Anna Fliri und Barbara Unterthurner, sowie Robert Puteanu für die fotografische Dokumentation.
Fotos: Robert Puteanu
Begleittext zur Ausstellung (Katrin Kuprian)
BASTARD
Prieth beschäftigt sich meist mit Themen, die gerne aus der Öffentlichkeit ferngehalten und selbst im Privaten nur bedingt angesprochen werden. Es geht um Lebendigkeit und Verwesung, Sexualität und Lustlosigkeit, psychische und physische Krankheit, Normalität und Abweichung. All diese Themenkomplexe vereint die Verbundenheit mit dem menschlichen Leib. Bei der Umsetzung seiner Werke greift er häufig auf seinen eigenen Körper zurück.
Der Rückgriff auf die eigene Physis ist dabei nicht nur der Thematik geschuldet, sondern auch der Praktikabilität, denn Prieths Zugang zu Kunst ist ein äußerst pragmatischer: arbeiten mit Vorhandenem, Produktion mit einfachen Mitteln, unprätentiöse Umsetzung. Der Schaffensprozess ist somit ein sehr unmittelbarer und ungekünstelter. Die bei seinen Performances und Installationen eingesetzten Utensilien finden meist durch Zufall ihren Weg zum Künstler. So stammt das bei der Performance Menschenopfer 2016 eingesetzte Fließband aus einer ehemaligen Industriebäckerei, Fotos für Installationen werden mit der Handykamera geschossen. Dieser Pragmatismus äußert sich auch in den Kanälen und Plätzen, die Prieth mit seiner Kunst bespielt: Neben seinem Instagram-Account, der „in geistiger Umnachtung“ entstand, wird auch seine Wort- und Performancekunst oft an unprätentiösen und unerwarteten Orten realisiert.
Dabei spielt nicht nur die Praktikabilität und das bloße Vorhandensein dieser Orte und Gegenstände eine Rolle, sondern auch ihre Wahrnehmung und Bedeutung in der Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit Kunst wird aus dem oft als elitär wahrgenommenen Bereich in die Nähe der tatsächlichen Lebenswelt der Menschen gehievt: Prieth realisiert 2015 mit Schlachtstraße eine Klang- und Wortinstallation auf der Toilette eines öffentlichen Veranstaltungsorts und verbindet dabei natürliche menschliche Bedürfnisse mit vermeintlich intellektueller und elitärer Hochkultur. So wird die Distanz zwischen der Kunst und dem Publikum verringert – ToilettenbesucherInnen werden gewollt oder ungewollt mit der Installation konfrontiert, der Kunst ausgesetzt. So ungewohnte Zusammenhänge zwischen der Profanität des menschlichen Körpers und der häufig als elitär wahrgenommenen Beschäftigung mit Wörtern ermöglichen ein konkreteres und unmittelbareres Kunsterleben.
Um Kunst aus ihrem geschützten, musealen Kontext zu holen, greift Prieth auch auf Instagram zurück – ein Kanal, über den innerhalb kurzer Zeit und mit einfachen Mitteln sehr viele Menschen erreicht werden können. Unter dem Namen 0_5_12 führt er gesellschaftlich tabuisierte Themen in einer ganz persönlichen und schonungslosen Weise vor. Die Social Media-Plattform, die von überhöhender Selbstinszenierung und plakativem Konsum geprägt ist, wird für Prieth zu einer Bühne, auf der er Szenen aus seinem Alltag schonungslos und ungeschminkt zur Darstellung bringt. Die körperliche Nacktheit, die in seiner Kunst immer wieder eine zentrale Rolle spielt, wird hier mit unverblümter Offenheit über den eigenen Geisteszustand kombiniert.
Besonders explizit geht Prieth bei der Performance Geschlechtskälte auf Sexualität, Beziehung und ihren Zusammenhang mit der eigenen psychischen Verfasstheit ein. Nackt auf einem Bett liegend liest der Künstler Ausschnitte aus alten Medizintexten zu fehlender Libido vor. Dazwischen wird ihm von einer Frau mit nacktem Oberkörper Wein in den Mund gespuckt, während ein Mikrophon verfremdet seine Herzgeräusche überträgt. Erneut ein Werk, das Text aus seinem ursprünglichen Kontext reißt, Normabweichungen bewusst macht und auf Veränderlichkeit gesellschaftlicher Normen aufmerksam macht. Auch hier spielen der Körper Prieths und die offene Zurschaustellung des Selbst eine zentrale Rolle.
Auch die 2016 realisierte Performance Menschenopfer handelt von dieser Verschränkung. Das Werk trägt den Untertitel Ein österreichischer Abend und fügt mit dem Vortrag persönlicher sowie religiöser Texte, gefundener Wörter, der klanglichen Realisierung durch Fließband und Säge, dem Einsatz von getrocknetem Schweineblut und der Vorführung von unerhörter Intimität in Form eines intensiven Kusses mit dem Objekt Gedanken zu Körperlichkeit, Liebe, Normabweichung und Regelverstoß zusammen.
Bereits in der 2013 und 2014 entstandenen Gedichtreihe Nesselpeitsche beschäftigt sich Prieth mit diesen thematischen Aspekten, nähert sich ihnen jedoch etwas behutsamer und leiser an. Überlegungen und Erfahrungen werden indirekter, symbolischer vermittelt. Doch die Melodie der Sprache und die häufig sanften Worte und beinahe lieblichen Metaphern stehen im krassen Gegensatz zu teilweise expliziten und kantigen Worten und dem häufig düsteren und wiederum stark körper- und verfallbetonten Inhalt.
Unabhängig vom Darstellungsmedium ist die Wirkung sowie der Schaffensprozess seiner Kunst von Direktheit und Unmittelbarkeit geprägt. Prieth löst durch häufig unangenehme, verstörende Klänge und Geräusche, durch Hervorrufen von Assoziationen mit dem Tod, Verwesung oder mit gesellschaftlich tabuisierten Bereichen ein Gefühl von Unbehagen aus. Zusätzlich wirken die von Prieth eingenommenen Positionen, die in ihrer Beschaffenheit oder Darstellung immer in gewisser Weise radikal ausfallen, provozierend. Die starke Körperlichkeit von seiner Kunst und die Unmittelbarkeit der Reaktionen versickern jedoch nicht langsam im Leeren. Im Gegenteil. Das Unbehagen klingt ab und ebnet den Weg für eine gedankliche Aufarbeitung. Der Alltag, seine Beschaffenheit, die Absurdität des täglichen Lebens und der ungewöhnlichen Ereignisse lassen seine Kunst in einem neuen Licht erscheinen und wieder ins Bewusstsein steigen.
Der Künstler selbst vertritt nicht eine gefestigte und unumstößliche Wahrheit, sondern will mit den BetrachterInnen in einen Dialog treten. Sie sollen seine Positionen in Frage stellen und sie sogleich verwerfen und mit Gegenpositionen konfrontieren. Aktives Nachdenken und Auflehnung anstelle von passiver Sprachlosigkeit. Reaktionslosigkeit und Gleichgültigkeit als denkbar schlechteste Lebenseinstellung.
Der Titel der Ausstellung und Performance Bastard lässt bereits erahnen, dass das Ausgestoßene, Ungeliebte, Unangenehme und der Körper behandelt wird. Der Bastard muss ausgekocht werden – das ist die einzige Möglichkeit, ihn aus dem eigenen Körper zu entfernen. Ein wegen des erhöhten Ekels vor Blut und Innereien langsam in Vergessenheit geratendes Rezept für Schwarzsauer dient als textlicher Anstoß für die Performance. Ein schön gedeckter Holztisch und die mittels Brennnessel und Erde hergestellte Naturverbundenheit werden ergänzt durch einen lehnenlosen Stuhl, der für den fehlenden Komfort sorgt. In diesem Setting soll nun der Bastard – das unerwünschte und böse Kind – aus dem Blut ausgekocht werden.
David Prieth wurde 1987 in Hall in Tirol geboren, wuchs in Innsbruck auf und ist seit mehreren Jahren in der Tiroler Kulturszene aktiv. Sein Kunstschaffen beinhaltet Gedichtreihen und Wortsammlungen, musikalische bzw. klangliche Werke, Videoarbeiten und Performances. Der Großteil seiner Arbeiten ist intermedial aufgebaut. Für ihn stellen sowohl Worte als auch Klänge einen beinahe unverzichtbaren Teil seiner Kunst dar, die er in Performances und Installationen übereinanderlegt, einander entgegenstellt und miteinander vereint.
Katrin Kuprian, 2017
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Printprogramm “Die Bäckerei – Kulturbackstube” Oktober 2017
mit Header-Bild und rotem Text von David Prieth
(Auflage 1.300 Stück)