• Gedanken zum Thema “Bogenmeile” in Innsbruck

    Am Sonntag, 01.04.18 erschien in der Tiroler Tageszeitung ein weiterer Artikel über die Situation in der Innsbrucker “Bogenmeile” – der bekanntesten Nachtlebens- und Ausgehmeile Tirols mit zahlreichen unterschiedlichen Lokalen und anderen Läden. Dieser ist der dritte einer aktuell dreiteiligen Serie, die einiges an Resonanz erzeugte und hier nachgelesen werden kann (ARTIKEL 2 28.03.18) (ARTIKEL 1 09.03.18). Kurz darauf wurde auch eine Online-Petition der Grünen in Innsbruck gestartet, um die Bogenmeile als Ausgeh-Mittelpunkt für Innsbrucks junge Menschen zu erhalten (KLICK); im zweiten dieser besagten TT-Artikel wurde auch ich einmal kurz zur aktuellen Situation befragt (siehe unten).

    Was gibt es nun dazu von meiner Seite aus zu sagen und denken?

    Erstmals: Die Überschriften der Artikel sprechen eine klare Sprache und scheinen in dieser Reihenfolge auch auf eine gewisse Art und Weise schlüssig zu sein:
    1. Ärger um „Zustände bei Bogenmeile“ in Innsbruck
    2. „Nachtgastronomie in den Bögen ist nicht erwünscht“
    3. Bekannteste Ausgehmeile Tirols steht vor dem Aus

    Die Kurzversion dieser Geschichte wäre wohl: Die Lokale in den Bögen müssen schließen, weil es dort zu gefährlich geworden ist und sich zu viele Leute darüber beschwert haben.
    So einfach ist es – wie immer – nicht, da hier weder das Innsbrucker Nachtleben auf der einen Seite, noch sämtliche Mietverhältnisse auf der anderen Seite, “vor dem Aus” stehen. Die aktuelle Stimmung, die momentan vor allem auf Social Media herrscht, scheint dies aber so zu deuten – auch die vorab gestellten Fragen einzelner JournalistInnen waren vielleicht unbewusst in diese Richtung gedreht, um die Geschichte etwas lebendiger wirken zu lassen.

    Selbstverständlich sind dies nicht die ersten Artikel ihrer Art; seit dem “Bestehen” der Lokalmeile gibt es Beschwerden von Menschen die in der Nähe wohnen, die die Lokale besuchen, die die Lokale betreiben, die von den Lokalen in der Zeitung gelesen haben und nun ihre Kinder nicht mehr in die Landeshauptstadt ziehen lassen wollen, aus der Politik, aus dem Sicherheitswesen und vielen anderen mehr.

    Zusätzlich ist klar: “Die” Bogenmeile an sich gibt es nicht. Es gibt in den Viaduktbögen eine Reihe alteingesessener Lokale/Kneipen/Bars, die ihr unterschiedliches Stammpublikum etabliert haben und laufend auch neues Publikum anziehen. Es gibt Clubs, die in einer anderen Zeit einmal Tanzlokale oder Discos geheißen haben und in denen bis in die frühen Morgenstunden getanzt wird. Es gibt Veranstaltungslokale, in denen unterschiedliche Menschen Dinge stattfinden lassen können (wie es z.B. die pmk mit Konzerten oder das Bogentheater mit Theaterproduktionen macht). Und dazwischen gibt es noch vieles mehr an Geschäften, Proberäumen, sozialen Institutionen und mehr – die aufzuzählen allerdings keinen Sinn ergibt, da niemand von diesen als ProblemverursacherInnen sprechen würde.

    Die erzählte Geschichte ist: Dort wo die ganze Nacht für hunderte von Leuten Rambazamba geboten wird und gesoffen wird – dort gibts Probleme. No na.

    Als jemand der in der Bogenmeile lebt (und ich meine “leben” im Sinne von sowohl “wohnen” als auch “arbeiten”), muss auch ich sagen: Zusätzlich zu dem ganzen schönen und bunten Treiben – zu einem toll laufenden Austausch und viel Spaß für viele verschiedene Szenen und NachtschwärmerInnen, gibt es auch Einiges in den Viaduktbögen das wirklich nicht gut ist. Es gibt die klassischen Diebstähle, Belästigungen und Körperverletzungen, die große Mengen an betrunken Menschen mit unterschiedlichen Interessen (feiern; austauschen; Streit suchen; Freizeit genießen; dealen; klauen) mit sich bringen. Das sollte auch nicht verharmlost werden. Aus diesem Grund begrüße ich beispielsweise auch die Errichtung der helleren Lichtanlage, da mit einer größerer Sichtbarkeit auch ein subjektiv etwas sicherer Ort entsteht. Zusätzlich wurde die Überwachung in den Bögen ja offenbar ausgebaut (Kameras), allerdings die unmittelbare Sichtbarkeit von Autoritätspersonen (z.B. durch vermehrte Streifen) meiner Wahrnehmung nicht wirklich versucht.
    Ich selbst bin bekanntlich kein großer Freund aufgedrückter Überwachungsstrategien – möchte allerdings für alle BesucherInnen und in den Bögen aktiven Menschen ein möglichst angenehmes und sicheres Umfeld gewährleistet haben.

    Inwiefern man dies “gewährleisten” also “sicher stellen” kann, sei dahingestellt; doch momentan wäre klarerweise die vernünftigste Strategie, wieder einmal einen runden Tisch (das gab auch schon vor längerer Zeit einmal) mit LokalbetreiberInnen, Stadtpolitik und Behörden zu organisieren und gemeinsam an der Situation zu arbeiten: Wie kann man gemeinsam versuchen die allgemeine Situation zu verbessern; vor allem das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen, die sich in der Gegend/in/vor Lokalen aufhalten? Gibt es Ansätze und Strategien, die man schon gemeinsam in den einzelnen Bars/Clubs umsetzen kann? Vor allem im Hinblick auf die Sicherheit des weiblichen Publikums; sprich um Übergriffen/Belästigungen vorzugreifen? Gibt es Möglichkeiten die Diebstahls- und Dealersituation in den Griff zu bekommen?
    Fragen und Themen gibt es genug, die auch genügend andere Städte und Ausgeh-Hotspots angehen müssen und das auch tun. Und wie man sieht, klappt es auch in bedeutend größeren Städten mal besser und mal weniger gut. Perfekt wird es sicher nicht werden – aber mit gemeinsamen Strategien kann man sicher schon Einiges verbessern. Und nochmals: Es ist bei weitem nicht alles schlecht in dieser Gegend. Nein, es herrschen keine Zustände wie in Detroit; es werden keine Menschen regelmäßig mit Mord und Totschlag konfrontiert; der größte Teil in den Bögen ist immer noch das worum es eigentlich gehen sollte – Spaß / Freizeit / Austausch / Party. Die Bogenmeile beherbergt Innsbrucks Nischen und Schlupflöcher für Eskapismus, Subversion und Gegenrealitäten – aber es gibt durchaus Probleme, die man angehen muss und soll.

    In einer Stadt mit 30.000 Studierenden wird sich ein einfaches “abschaffen” von Lokalen auch nicht umsetzen lassen; da ansonsten auch ein großer Teil der Attraktivität einer jungen Stadt abhanden geht. Außerdem würde es einfach nur zu einer Verlagerung der Lokale an die Peripherie oder an andere Orte der Stadt führen und dann geht es eben dort von Neuem los. Und nicht zuletzt lassen sich viele der bestehenden Mietverhältnisse ganz schlicht nicht einfach von heute auf morgen kündigen; da sie manchen Fällen unbefristet, im anderen Fällen sogar nicht einmal über die ÖBB selbst sondern über verschiedene Untermieter laufen. Die Lokalszene besteht hier seit Jahrzehnten und in dieser Zeit haben sich viele Situationen über diverse Verträge mal so und mal anders ergeben. Einfach mit dem Hammer draufhauen ist also nicht einmal rechtlich möglich.

    Deshalb wird es wohl das Beste sein, die Situation ernst zu nehmen, sie allerdings in vernünftigen und umsetzbaren Schritten anzugehen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Die von den Grünen gestartete Petition geht auch in diese Richtung, weshalb ich mich freue, dass auch eine lokale politische Fraktion eine gemeinsame Lösung vorschlägt, anstatt pauschal von Wegweisungen oder Verboten zu sprechen. Ohne die Bogenmeile wäre Innsbruck nicht einmal mehr das größte Dorf Tirols.

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    Und in Artikel Nr. 2 durfte ich auch mal kurz zu Wort kommentt_statement_boegen

  • Rückblick: Diametrale 2018

    Vielen Dank an alle BesucherInnen, FilmemacherInnen und KünstlerInnen für diese tolle Ausgabe der Diametrale! Und selbstverständlich auch vielen Dank an meine MitorganisatorInnen von Los Gurkos Prod. und Kulturkollektiv Contrapunkt.

    Drei dichte Tage gefüllt mit Film, Musik, Gesprächen und Lesungen gingen zu Ende – schöner hätte es nicht sein können. Meine persönlichen Favoriten waren wahrscheinlich Mia Forrests “City Crush“, der grandiose Kurzfilm “Blut spucken” von Jasmin Preiß und mein persönliches Foto mit Filmemacher und Legende Wenzel Storch.
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    wenzelstorch
    Ein kleiner aber feiner Artikel war diesmal auch in der Tiroler Tageszeitung zu lesen (24.03.2018) – danke an dieser Stelle an Barbara Unterthurner für den Text. Zudem findet sich auch ein Text in der Südtiroler Zeitung “Dolomiten”.
    Fotos gibts auch zur Nachbesichtigung, womit alles beieinander sein sollte.

    Wir freuen uns schon aufs nächste Jahr; auch 2019 wird die Diametrale wieder nutzlos und schön!
    https://www.facebook.com/media/set/?set=a.556890464709813.1073741834.333050970427098&type=1&l=9933c12812

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  • contrapunkt presents: SIKSA & POCHWALONE (29.03.18)

    Ort: p.m.k. Viaduktbogen 18, 6020 Innsbruck
    Datum:
    Donnerstag, 29.03.2018
    Doors: 20:30
    Eintritt: 5 Euro

    Zusammen mit meinen FreundInnen vom Kulturkollektiv Contrapunkt freue ich mich schon sehr darauf, die großartige polnische Künstlerin SIKSA und die polnische Band POCHWALONE präsentieren zu dürfen. Ich wurde letztes Jahr durch einen Zufall auf SIKSA (übersetzt in etwa “Flittchen”/”Tussi”) aufmerksam, als ich das polnische OFF Festival besuchte. Ihre feministischen Performances bewegen sich irgendwo zwischen Theatermonologen, Brachial-Emotionen und Punk-Attitüde – die sie gemeinsam mit einem Bassisten auf das Publikum loslässt. Nach dem Auftritt auf dem OFF Festival war ich so begeistert, dass ich ihr spontan via Instagram anbot, im Falle einer Tour definitiv einen Auftritt in Innsbruck zu organisieren. Glücklicherweise kam Eins zum Anderen und so gibt es nächste Woche den ersten Österreich-Auftritt von SIKSA in der p.m.k zu erleben.

    siksa pochwalone

  • Mitschnitt & Fotos: Ohne Theorie keine Revolution 1 (15.03.18)

    Nun gibt es auch Dokumentationsmaterial zur ersten Einheit der Reihe “Ohne Theorie keine Revolution” vom 15.03.18 in der p.m.k. Zu Gast waren die großartigen Köpfe und Diskutanten Thomas Meinecke und Thomas Edlinger; moderiert wurde das Gespräch vom Pop-Experten Martin Fritz. Ebenfalls wissenswert: Der bildende Künstler Björn Segschneider hat für uns spezielle Sitzgelegenheiten für diese Veranstaltungsreihe entworfen, die gleichzeitig als Präsentationsfläche für u.a. die besprochenen Medieninhalte dienen.

    Der nächste Termin findet am 30.05. im “aut” statt (im Rahmen des HEART OF NOISE Festivals 2018). Nähere Informationen dazu gibt es in Kürze.

    Hier gibt des das Gespräch auch als Mitschnitt zum Nachhören (eine Ausstrahlung über das freie Radio FREIRAD folgt in Bälde). Danke an dieser Stelle auch an Peter Chiochetti für die technische Betreuung der Aufnahme.

    Fotos: David Prieth


    Fotos:
    Daniel Jarosch

  • DO 15.03. 19:00: Gespräch mit Meinecke, Edlinger & Fritz

    Veranstaltungstipp:
    Kommenden Donnerstag, 15.03. um 19:00 in der p.mk.

    Ein Gespräch zum Thema Pop(kultur), Subkultur und Gesellschaft mit Thomas Meinecke (Autor/DJ/Musiker), Thomas Edlinger (donaufestival/FM4/Autor) moderiert von Martin Fritz (UIBK/Autor/Performancekünstler).
    Anschließend DJ-Sets von Thomas Meinecke und Christoph Hinterhuber (Künstler/DJ).

    Für alle, die es zeitlich nicht schaffen: Das Gespräch wird aufgezeichnet und auf FREIRAD zu hören sein (Termin wird noch bekanntgegeben).

    Adobe Photoshop PDF

  • VA-Tipp: Was kann/soll/darf man im öffentlichen Stadtraum?

    Ein Veranstaltungstipp für kommende Woche zum Thema: Was kann/soll/darf man im öffentlichen Stadtraum?

    Datum: 13. März 2017
    Zeit: 19:00
    Ort: WEI SRAUM
    Eintritt frei

    Begleitend zur aktuellen Ausstellung “Atlas des Dazwischen” werden in dieser Diskussionsrunde Fragen nach dem Gemeingut Raum gestellt und somit auch nach Grenzen, Unschärfen, Regulierungen, Ausgrenzung, Potenzialen, möglichen neuen Zugängen u.v.m.

    Wer hat Zugang zur Ressource Raum? Wo liegt Raum brach und warum? Welche Bedeutung haben die Leerstellen, Zwischenräume und Nischen im Stadtraum? Wie könnten neue Formen der (gemeinschaftlichen) Nutzung angedacht werden?

    Solche und ähnliche Fragen diskutieren am Dienstag, 13.3. 19:00:

    Wolfgang Andexlinger (Stadtplanung Innsbruck)
    Michael Hennermann (Verein für Obdachlose)
    Celia di Pauli (Architekturfakultät Uni Innsbruck)
    Birgit Brauner (Architekturfakultät Uni Innsbruck)
    Krater Fajan (Gestaltungskollektiv)
    David Schreyer (Architekturfotograf)
    Wir laden herzlich zum Kommen und Mitreden ein!

    Die aktuelle Ausstellung Atlas des Dazwischen ist noch bis 24. März zu sehen.

  • derStandard Beitrag zu #kulturkann

    Auch auf derStandard.at ist gestern ein Artikel zu unserer Kampagne #kulturkann erschienen. Im Gespräch mit Steffen Arora spricht Ingeborg Erhart (Geschäftsführerin der Tiroler Künstlerschaft) über die Kampagne #kulturkann und auch über das Interview von FPÖ Tirol Spitzenkandidat Markus Abwerzger.
    Interessant, dass Abwerzger das Tiroler Kulturförderungsgesetz offenbar nicht kennt oder inhaltlich nicht verstanden hat.
    kulturkann_derstandard

  • TT-Interview mit Tiroler Kulturschaffenden (21.02.18)

    In der heutigen Ausgabe der Tiroler Tageszeitung gibt es ein Interview zu lesen, in dem sich Tiroler Kulturschaffende über die anstehende Landtagswahl äußern und auch auf das vor Kurzem veröffentlichte Der Standard Interview mit FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger reagieren.
    In besagtem Interview vom 12. Februar sprach Abwerzger von einem derzeit existierenden “Förderdschungel” und davon, dass die öffentliche Hand bei der Förderung von Kunst und Ausstellungen “wenig verloren” hat. Fördern will Abwerzger Traditionelles und das was die Masse erreicht. Hier lässt sich schon erahnen in welche Richtung eine schwarz-blaue Landesregierung in Tirol arbeiten könnte bzw möchte. In Oberösterreich hat die derzeitige Landesregierung einen Kahlschlag bei den Subventionen im Kulturbereich erwirkt, der für die dort tätigen Kulturschaffenden weitreichende Folgen (Schließungen von Kulturinstitutionen, Abbau von Kulturangeboten, etc) bedeutet.

    Kulturlandesrätin Beate Palfrader hat in einem TT-Interview (Ausgabe 13.02.18) allerdings davon gesprochen, dass das Kulturbudget des Landes Tirol nicht weiter sinken darf. Interessant ist dabei allerdings die Rolle der GIS-Rundfunkgebühren, durch welche auch die sogenannten “Kulturförderabgaben” eingehoben werden. Im März gibt es ein diesbezügliches Gespräch mit dem neuen Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP), so Palfrader.

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    Interview mit Kulturlandesrätin Beate Palfrader (TT-Ausgabe 13.02.18)
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  • Tournotiz Naileater 01_18

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    Sich während eines Konzerts selbst mit einer Metallkette strangulieren; wahrscheinlich müsste man sich etwas Zeit dafür nehmen, um die damit verbundenen Für und Wider abzuwägen. Letzten Endes war es aber zumindest nicht unamüsant diesem Menschen dabei zuzusehen, wie er an einem Samstag Abend mit sich selbst im Publikum Gassi ging. Touren ist bekanntlich ein Amalgam aus warten, fahren, essen und Situationskomik – also eine Verdichtung der alltäglichen Umstände auf engem Raum. Durchzogen wird dieser Zustand durch Gedanken darüber, welche Farbe das heutige Abendessen wohl haben wird (rot) und auf was für eine Anlage man sich in der Venue einstellen kann (laut). Prinzipiell macht man auch immer wieder die Erfahrung, dass die meisten Leute die man in der Venue trifft relativ ähnlich sind (nett) und die Anzahl der vorhandenen Sticker immer dieselbe sein muss (in rauhen Mengen). Zu Hinterfragen bleibt nichtsdestoweniger das Verhalten von Menschen im halböffentlichen Raum der Autobahnraststätte (schlimm) und die Songauswahl prinzipiell aller Radiosender außer Ö1 (whack). Trotz alledem findet man in dieser unüberschaubaren Menschenauswahl auch immer gewisse Perlen, wie Leute, die sich – wie schon gesagt – selbst an Ketten durchs Leben ziehen oder neue Bekannte, die froh darüber sind, dass man von irgendwo her kam, um vor ihnen laute, wütende Lieder zu spielen. Wenn Andreas Göttlich nun also sagt “Wer nicht weiß, worauf er wartet, der weiß zunächst nicht, dass er überhaupt wartet”, sollte man im Zweifelsfall ins nächstgelegene Vehikel steigen und irgendeine Abzweigung in Richtung lauter Punk Musik einschlagen. Irgendwann wird dabei auch verstanden worden sein weshalb.
    – David Prieth, 19.02.19

  • Pop-Diskussion mit Thomas Meinecke, Thomas Edlinger & Martin Fritz (Ohne Theorie keine Revolution 1)

    OHNE THEORIE KEINE REVOLUTION – TERMIN 1:
    Gespräch mit THOMAS MEINECKE (Popliterat/Autor/DJ/Musiker), THOMAS EDLINGER (donaufestival/Radiomacher/Autor) & MARTIN FRITZ (Autor/Wissenschaftler/Performancekünstler)

    Anschließend DJ-Sets: Thomas Meinecke & Christoph Hinterhuber

    Mit der Veranstaltungsreihe OHNE THEORIE KEINE REVOLUTION soll eine überschaubare Bandbreite an pop-relevanten Themen, in nicht gänzlich ausformulierten aber keineswegs beliebigen Sondierungversuchen, ausgestellt werden. Popkultur als reines Aufschreibesystem betrachtet, speichert im Strudel der Geschichte seine Phänomene, Wissensbestände und ritualisierten Praktiken, auf die ein ständiger Zugriff stattfindet, sodass ihre Archivierung – so scheint es – in einer Eliminierung von Zeit und Raum verfließt. Transkulturelle Teilsubjektivierung findet als ein Hereinbrechen der Digitalisierung in wunderschönen hybriden Formen ihren Ausdruck. Speziell über die sich pop-geschichtlich verfestigte Taping- und Sampling-kultur werden vormals monolithisch gewachsene Einheiten zu popkulturellen Dispersionen. Könnte man das Bejahen dieser Kräfte bereits als emanzipatorische Transformation begrüßen, oder ist es lediglich das altbekannte Abfeiern der Oberfläche? Die Frage der Selbstermächtigung ist eine der essentiellen Fragen der intellektuellen Pop-Verstehen-Woller und Innen. Man sollte sich nicht die Hoffnung machen, dass Fragen dieser Art auf der Veranstaltung beantwortet werden. Das Ideal des mehrteiligen Kränzchens wäre eher ein reflektiertes und deshalb produktives Scheitern anhand der großen Fragestellungen.

    So verspricht uns Techno und Rave Musik (die Ideale der Anfangszeit) eine Form der Unio Mystica – rhythmische Gleichschaltung und Demokratie? – jacked bodies und synchronisierte Gehirnwellen im auffriesierten Hippie-update die auf der Tanzfläche in aufgeladene Teilchen verwandelt werden.

    Hip-Hop bewegt auch Körper, ja! In seinen Anfängen war Hip-Hop ein reines Subkulturphänomen, das seinen Ausgang in den 1970er Jahren in der New Yorker Bronx nahm und im Zuge der Entwicklung nicht zu trennen ist von emanzipatorischen Ansprüchen der schwarzen Unterschicht. Heute befinden wir uns in einer kaum zu übersehbaren Wirkkraft und globalen Präsenz dieser kulturellen Großmacht. Eine aktuelle Studie des Branchendienst Nielsen zeigt, dass Hip-Hop und Rnb zum ersten Mal in Sachen Streaming und Verkaufszahlen Rock überholt haben. Mit Dr. Dre gibt es gar einen Milliardär! im Game – und der Rapper Kendrick Lamar ging in der Amtszeit von Obama im weißen Haus ein und aus. Auf diesem Hintergrund könnte man sich die Frage stellen, welchen Sinn es noch macht eine politische Agenda oder gar ein Revolutionsdenken im Hip-Hop zu skandieren? Staiger, eine der wichtigsten Schanierfunktionen zwischen Hip-Hop und Politik im deutschsprachigen Raum (er versteht sich selber als Marxist) bezweifelt dass die Rolle von Rap eine revolutionäre sein könne/müsse. Hip-Hop könne meist “nur” Bestandsaufnahmen machen, soll heissen die Welt in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Schlechtigkeit abzubilden.

    PopPopPop.
    Müsste man sich nicht immer wieder die Frage stellen was den Menschen hinter den Wänden, aus denen dröhnende Beats auf die Straßen dringen, mit ihrer Musik meinen, fühlen oder verstanden wissen wollen. Gibt es noch eine politische Partykultur, bzw. haben diese Formate – von rappenden Individuen die im Rampenlicht meist Bestandsaufnahmen ihrer Beobachtungen skandieren oder Einzelgängern die hinter Plattenspielern und Soundmaschinen aus dem Archiv der unendlichen Sample-Ansammlung des Ersatzteillagers unserer Musikgeschichte das Publikum zum exzessiven Tanzen auffordern – noch transversale Agenden? Oder hat sich diese im molekular gewordenen Kapitalismus so zerbröselt und in monadische Appendizes jenseits von Raum und Zeit einer Partylocation verstohlen?

    Technomusik hat sich globalisiert, von den früheren Bestrebungen im Kontext technologischer Entwicklungen und der Entdeckung des Cyberspace Entsubjektivierungsprozesse und die temporäre Aushebelung eines Zeitkontinuums anzustreben, wie in britischen Underground-Clubs, bis zum Streben nach einem neuen schwarzen Selbstbewusstsein als Gegenstrategie gegen Reagan’scher Politik im Rostgürtel der USA. Hip-Hop und die als ihre Begleiterscheinung auftretenden Kulturtechniken des Graffitis oder des Breakdancen dienten der Individualisierung und Generierung von Autorenschaft zu urbanen Wertgesetzen. Als Psychotopologien dienten dieserart Strategien der Suche nach neuen “Räumen” (geographische, soziale, kulturelle und imaginäre) die potentiell als autonome Zonen erblühen könnten und Individuationen zulassen die man bis dahin nur imaginieren wollte.

    Man hat sich von den früheren einfachen Codes und reduzierten Gestaltungsmitteln der Musik umtransponiert zu komplexen Soundwolken die aus einer Form von Art of Noise zu neuen Sounds generiert werden. Gibt es in diesen (Pop)Kulturen noch dividuelle Agenden?

    Projektleitung: David Prieth, Rene Nuderscher, Maximilian Thoman, Maurice Kumar
    Nach einer Idee von Ulrike Mair

    gefördert von der Stadt Innsbruck und dem Land Tirol im Rahmen von “stadt_potenziale 2017” und “TKI open 2017”

    Bild (c) Christoph Hinterhuber
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