Zum Thema “keine neuen Nachtlokale in den Bögen” – als ÖBB-Kunde mit Goldschiene-Status habe ich hier auch noch ein Wörtchen mitzureden!
In Innsbruck von einer schrankenlosen Nachtgastronomie zu sprechen, bedarf eines relativ dörflichen Verständnisses vom Life. Die Summe an Auflagen, um in Österreich irgendetwas zu tun, kann man vielfältig beschreiben, aber sicherlich nicht mit „schrankenlos“. Im Land der Bürokratie gibt es ein ganzes Bündel an Schranken in beinahe jeder Lebens- und Arbeitssituation.
Es gibt meines Wissens nach in ganz Innsbruck auch kein einziges Lokal mehr, das durchgehend geöffnet hätte – und wenn, dann maximal an irgendeiner Tankstelle. Auch gibt es in den Bögen mittlerweile nur noch wenige Lokale mit sehr langen Öffnungszeiten. Es gibt ein paar verbleibende mit späten Öffnungszeiten, aber die sperren dafür auch erst nachts auf.
Ich arbeite und wohne seit über zehn Jahren in der Innsbrucker Bogenmeile und mittlerweile ist die Gegend schon so dermaßen entspannt, dass ich froh bin, gleichzeitig auch in Wien in der Nähe des Gürtels zu wohnen. Ein bisschen urbanes Lebensgefühl darf’s dann schon auch noch sein.
Klar, Wien und Innsbruck sind in vielen Belangen sehr unterschiedlich (Größe, soziale Zusammensetzung etc.), teilweise aber auch sehr ähnlich. Und die Gründe, warum Clubs schließen, sind ohnehin international und nicht auf eine Stadt begrenzt. Menschen treffen nach wie vor gerne andere Menschen, aber sie wollen dafür nicht mehr mehrmals pro Woche viel Geld in Alkohol und Eintritte investieren. Darauf basiert aber leider ein großer Teil des Club-Modells.
Zusätzlich sind die Kosten für Clubbetreibende extrem gestiegen und die Planbarkeit ist im Keller, weil Entscheidungen meist kurzfristiger getroffen werden. Einen Club zu unterstützen, weil’s einfach „mein Stammclub“ ist und heute Dienstag? Das ist mittlerweile nicht mehr selbstverständlich.
Und teilweise sehe ich’s ja auch ein: Ansprüche und Bedürfnisse verändern sich über die Zeit und über Generationen hinweg. Was mich vor 15 Jahren abgeholt hat, muss für junge Menschen heute nicht mehr gleich interessant sein.
Man muss sich allerdings bewusst sein, dass jede aufgelassene Bühne und jeder geschlossene Club dann halt auch wirklich dauerhaft weg sind. Der eine oder andere wird vielleicht übernommen oder adaptiert, aber im Großen und Ganzen wirft jede Clubschließung ein Schäufchen mehr ins Grab.
Wir wissen, dass es auch die kleinen Läden braucht, um die Trends von morgen setzen zu können. Und auch wenn ich auf Insta meinen Fame bekomme und erstmal keinen physischen Laden brauche, um mich Menschen vorstellen zu können – irgendwann später braucht es dann doch eine Konzerthalle o. ä. als soziales Schmiermittel, um mir die Show mit anderen Menschen ansehen zu können.
Alles geht dann halt doch nicht alleine im Privaten. Und ich glaube schon noch fest daran, dass wir grundsätzlich Bock auf andere Leute haben. Außer man bleibt beim Solo-Black-Metal-Projekt ohne Livegigs – was ja auch okay ist. Aber alles andere wird früher oder später mal einen sozialen Kontext oder einen Ort der Darbietung benötigen. Und da der öffentliche Raum zwar uns allen gehören sollte, es de facto aber nicht tut, brauchen wir diese Orte, um uns in ihnen treffen zu können.
Ja, die Zeiten sind nicht einfach und das Weggehen hat sich auch schon mal unbeschwerter angefühlt. Aber alles, was jetzt flöten geht, wird auch dann noch weg sein, wenn die Zeichen hoffentlich wieder mehr auf „Ja zum gemeinsamen Sein“, „Ja zum gemeinsamen Träumen in der Nacht“ und „Ja zum gemeinsamen Entdecken“ stehen.
Wir müssen deshalb sicherstellen, dass die soziale Infrastruktur abseits von Zuhause und Arbeitsplatz als dritter Ort der Interaktion erhalten bleibt.
Jeder Club und jedes Kulturzentrum, das schließt, ist eines zu viel. Und wenn der privatwirtschaftliche Ansatz nicht mehr funktioniert, müssen wir eben schauen, dass wir unsere Freiräume anders erhalten – sei es durch ein community-basiertes, gemeinschaftlich getragenes Modell oder eines, das nicht darauf basiert, dass man möglichst viel Schnaps verkaufen muss, um den Menschen einen schönen Abend bieten zu können.
Es braucht Orte, die der grassierenden sozialen Isolation und der gesellschaftlichen Spaltung vorbeugen und Platz für Gemeinschaft und Selbstverwirklichung abseits des Wettbewerbs bieten.
Sonst wea ma alle deppat.
