Corona, Verschwörungsmythen und Kultur

Text geschrieben für den Blog der Tiroler Kulturinitiativen (TKI)

#kulturkann lautete der Slogan einer im Jahr 2018 initiierten Kampagne der battlegroup for art#kulturkann setzte sich zum Ziel besonders jene Potenziale von Kunst und Kultur hervorzuheben, auf die eine offene und demokratische Gesellschaft auf Dauer nicht verzichten kann. Sei es eine substanzielle Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Zeit und das Stellen von Fragen, das Erzeugen von Meinungsvielfalt und kritischem Denken oder das Verhandeln des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und der Förderung von Integration.
Diese Potenziale bzw. Stärken von Kunst und Kultur, die mittlerweile seit beinahe einem Jahr nicht mehr flächendeckend auf die Gesellschaft einwirken können, wären allerdings aktuell dringender notwendig denn je.

Demokratiefeindliche Prozesse und Strukturen poppen derzeit in vielen Bereichen der Gesellschaft auf – sei es in virtuellen Echokammern oder ganz offen auf der Straße bei unterschiedlichen Versammlungen. Immer mehr sogenannte „besorgte Bürger*innen“ und „Querdenker“-Gruppierungen verbreiten große Mengen an gefährlichen Falschnachrichten oder rufen in einzelnen Fällen sogar ganz offen zur Abschaffung der parlamentarischen Demokratie in Österreich auf. Selbstverständlich ist es das gute und unverhandelbare Recht von allen Bürger*innen, jederzeit Kritik an Maßnahmen der Bundesregierung äußern zu dürfen. Dabei sollten wir allerdings die gefährlichen und durchaus offen auftretenden Aufrufe von opportunistischen Scharfmachern nicht übersehen oder ignorieren.

Screenshot aus einem Telegram-Kanal
Screenshot aus einem Telegram-Kanal

Es ist nicht verwunderlich, dass sich aktuell viele Menschen große Sorgen um ihre persönliche und/oder wirtschaftliche Existenz machen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben das gesellschaftliche Leben mit voller Härte getroffen – viele Branchen wurden de facto mit Berufsverboten belegt und der Rest von Einnahmenentgängen getroffen. Zudem war Planungssicherheit weder im Kulturbereich noch irgendwo sonst gegeben. Auch das Herunterfahren des zwischenmenschlichen Lebens setzt Menschen auf Dauer immer mehr zu. Das Bedürfnis mit Freund*innen und Familie Zeit zu verbringen, um diese unstete Zeit etwas erträglicher zu machen, kann aktuell ebenfalls nur sehr ungenügend befriedigt werden. Auch, dass sich mehrere Maßnahmen, die zur Eindämmung des Virus dienen sollten, sich im Nachhinein als Fehlentscheidungen herausstellten oder dass gegensätzlich anmutende Maßnahmen gleichzeitig verkündet werden, zehrt an Nerven, Geduld und Verständnis. Es ist eine explosive Mischung aus vielen komplexen Zusammenhängen, die derzeit Risse in den gesellschaftlichen Diskurs sprengt und die die Gesprächs- und Diskussionskultur möglicherweise nachhaltig beschädigt. So sägen das Sprechen in verqueren Superlativen sowie die kategorischen Ablehnungen anderer Sichtweisen derzeit am gemeinsamen gesellschaftlichen Fundament.

Als Tiroler Kulturinitiativen setzen wir uns seit 31 Jahren für die Verbesserung der kulturpolitischen Maßstäbe in Tirol und für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für autonome Kulturarbeit ein. Gleichzeitig verstehen wir uns allerdings auch als eine kulturpolitisch gestaltende Kraft, die für Solidarität eintritt und die sich gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und jegliche Diskriminierung von Minderheiten einsetzt. Deshalb möchten wir mit aller Klarheit sagen: Die aktuelle Verunsicherung in der Gesellschaft darf nicht zum Nährboden für faschistisches und/oder demokratiefeindliches Gedankengut werden. Der Verurteilung von Minderheiten oder einzelner Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke muss gemeinschaftlich und entschlossen entgegengetreten werden. Wenn in einschlägigen Echokammern mit antisemitischen Codes und Stereotypen (wie „die Rothschilds kontrollieren die gesamte Welt“) argumentiert wird, liegt es an uns allen wachsam zu sein und sich aktiv dagegen auszusprechen. Wenn Unzufriedenheit an einzelnen politischen Maßnahmen im Schüren von Hass gegen Menschen gipfelt, müssen wir dagegenhalten und sollten uns nicht aus Angst vor Kritik der Diskussion entziehen.

Seit dem Beginn der Pandemie sehen wir, dass diese wie ein Brennglas für bereits länger vorhandene strukturelle Konflikte und soziale Missstände wirkt; bestehende Ungleichheiten vergrößern sich noch weiter, soziale Minderheiten und Randgruppen werden aktuell noch mehr ins Prekariat gedrängt und vom gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossen. Lassen wir nicht zu, dass einzelne Scharfmacher und politische Gruppierungen das gesellschaftliche Zusammenleben mit Scheinargumenten und verschwörungstheoretischen Hirngespinsten nachhaltig ruinieren. Solidarität ist eine Waffe und trennt uns im Kern von der sozialen Kälte der Faschist*innen.



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